(E)Sport, das Scheitern eines eindimensionalen Begriffs | Julian Howe
Der deutsche Spitzensport und die Sportkultur
Die olympischen Winterspiele in Korea sind vorbei. Wer die Sportnachrichten verfolgte, hat bemerkt, dass die deutschen Olympioniken überaus erfolgreich waren. Deutschland schloss die Olympiade mit 14 Gold- und einigen Silber- und Bronzemedaillen ab und war damit der zweiterfolgreichste Teilnehmer in Pyeongchang.
Neben den Olympischen Spielen wird auch die diesjährige Fußball-Weltmeisterschaft wieder zeigen, welche Bedeutung Sport für unsere Gesellschaft hat. Die Leistungen einiger weniger Spitzensportler werden der gemeinsame Nenner auf den sich die BürgerInnen, unabhängig vom gesellschaftlichen Status oder der politischen Einstellung, als Gemeinschaft identifizieren können.
Die kulturelle Relevanz des Sports nur auf den Spitzensport zu beschränken würde der gesellschaftlichen Durchdringung jedoch nicht gerecht werden. Menschen finden nicht nur im individuellen Alltagssport, wie zum Beispiel beim morgendlichen Joggen oder auf Wanderungen, sondern auch im organisierten Sport Erholung und Ausgleich. Auch der Sportunterricht in den Bildungseinrichtungen ist fester Bestandteil des Unterrichtskanons und zeigt, dass der Sport ein essentieller Bestandteil des gesellschaftlichen Zusammenlebens ist.
„Sport“, ein intuitiver Begriff?
Wenn hier von Sport gesprochen wird, was ist das überhaupt? Der Duden beschreibt Sport als
„nach bestimmten Regeln [im Wettkampf] aus Freude an Bewegung und Spiel, zur körperlichen Ertüchtigung ausgeübte körperliche Betätigung“
Diese Definition ist weit gefasst, aber trotzdem gibt es eine Besonderheit, denn das Schachspiel würde nach dieser Erklärung nicht als Sport bezeichnet werden können. Der Deutsche Olympischer Sportbund (DOSB) aber definiert Schach als Sportart, denn Schachspieler erhalte und fördere die geistige Fitness. Trotzdem wurde 2014 das deutsche Sportförderprogramm für Schach gestrichen. Die Grenzen zwischen Sport und Spiel sind also nicht so klar gezogen, wie man es vielleicht denken könnte.
Wie beim Schach spielt beim Computerspielen in erster Linie die geistige Fitness eine Rolle. Reaktionsvermögen, Auge-Hand Koordination, schnelles Entscheiden, strategisches und taktisches Planungsvermögen, effiziente Kommunikation mit Teampartnern…die Liste der geforderten Fähigkeiten ist lang, sie variieren von Spiel zu Spiel.
Die Revolution von Unten
Der DOSB verweigert dem E-Sport noch die Aufnahme in den Katalog der anerkannten Sportarten. Es gibt zu wenig Übereinstimmung mit der Aufnahmeordnung des DOSB. Die Argumente, die beide Seiten der Debatte nutzen, lassen sich hier einmal nach verfolgen. Während der DOSB und die VertreterInnen des E-Sports noch über die Bedeutung des „Sports“ diskutieren, macht die Politik schon Nägel mit Köpfen.
Die Aufnahme des E-Sports als „eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht“ in den Koalitionsvertrag (hier) und die Anerkennung des Leipzig eSports e.V. als gemeinnützigen Verein stellt den DOSB in dieser Hinsicht vor vollendete Tatsachen.
Die Initiative der Politik ist aber nicht das Zugpferd, sondern eher der Sattler. Das Interesse an E-Sport Wettkämpfen ist bereits riesig. Das League of Legends Weltmeisterschaftsfinale 2017 konnte weltweit 57,6 Millionen gleichzeitige Zuschauer vor den Bildschirm holen. Damit können es viele traditionelle und auch olympische Sportarten nicht aufnehmen. Auch die Basiscommunity, auf die E-Sport aufbaut ist nur mit der, der populärsten Sportarten vergleichbar. In Deutschland spielten 2017 rund 34 Millionen Menschen Computerspiele (de.statista.com). Im Verhältnis zu knapp 83 Millionen Einwohnern eine beachtliche Zahl.
In Anbetracht der Zuschauerzahlen überdenkt das Internationale Olympische Committee die Aufnahme von E-Sports als olympische Disziplin. Bei den Asienspielen in China, die eine Art Ableger der Olympischen Spiele für den asiatischen Raum sind, ist die Aufnahme des E-Sports für die Wettkämpfe in vier Jahren bereits beschlossen.
E-Sport – Eine gesellschaftliche Chance
In den kommenden Jahren wird sich zeigen, dass sich die Politik mit der Anerkennung des E-Sports auf das richtige Pferd gesetzt hat. Das Potenzial die positiven Auswirkungen von Sport auf ein Publikum auszuweiten, dass bisher eher wenig Interesse an traditionellen Formen des Sports zeigt, ist eine großartige Chance. Alleine die Möglichkeiten, die sich in der viel gelobten Jugendarbeit im Sportverein auftun, lassen sich, durch die offizielle Förderung von staatlicher Seite, auf viele junge Menschen ausweiten. Es lassen sich so eine Vielzahl Jugendlicher erreichen, die sonst unerreichbar bleiben würden. Eine solche Chance verstreichen zu lassen, weil sie nicht mit der Aufnahmeordnung des DOSB übereinstimmt, wäre fahrlässig.