Was bedeutet die „relative Mehrheit“ für die Public Affairs-Beratung?
Die aktuelle politische Landschaft auf Bundesebene macht eines deutlich: Zweiparteienkoalitionen wird es in Zukunft immer weniger bis gar nicht mehr geben. Genaugenommen gab es diese auch in den letzten 40 Jahren nicht, denn CDU und CSU sind zwar „Schwestern“, aber eben auch eigenwillig – oder eigenständig. Wie schwierig es ist, wenn drei doch eher unterschiedliche politische Strömungen zueinander finden und bestenfalls gemeinsam regieren müssen, hat die „Ampel“ gezeigt. Das Ergebnis kennen alle. Aber was könnte das konkret für die politische Führung in Zukunft bedeuten? Der Chefin oder dem Chef einer Bundesregierung wird wahrscheinlich mehr und mehr die Aufgabe eines „Mehrheitsmanagers“ zufallen. Auf Landesebene ist dieser Fall in Sachsen sehr konkret und auch in Thüringen (Dreierkonstellation und trotzdem keine Ministerpräsidentenmehrheit) dürfte diese Aufgabe auf den jüngst gewählten Regierungschef zukommen.
Kleine Schwester der Mehrheit
Der Kompromiss ist die „kleine Schwerster der Mehrheitsregel“, so hat es der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte formuliert. Das heißt, dass die Fähigkeit zum Kompromiss sich noch sehr viel mehr ausprägen muss als die politischen Akteurinnen und Akteure das ohnehin schon praktizieren. Mehr noch: Es braucht fortan institutionalisierte Systeme oder Formate, um gezielt den Kompromiss auch am Ende zu finden. Ein „Kompromiss-Regime“ könnte man politikwissenschaftlich formulieren. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die eigentliche Politik, sondern auch auf Organisationen im Bereich der politischen Unternehmensberatung. Warum?
Dritte Dimension der Stakeholder-Matrix
Bisher ist die Sache relativ klar. Wenn ich ein konkretes Anliegen habe als Unternehmen oder Verband schaue ich mir an, wer eine hohe fachliche Kompetenz für ein Thema aufweist und idealerweise auch über eine gewisse politische Durchsetzungsstärke verfügt. Das ist in den vier Feldern der klassischen Stakeholder-Matrix der Quadrant oben rechts. Wie geschildert, kommt aber ein weiteres, wichtiges Kriterium hinzu. Das ist der Grad der Kompromissfähigkeit. Die hängt natürlich von politisch maximalen Zugeständnissen ab, aber auch von Persönlichkeitsstrukturen. Erst wer auch auf diesem Feld überzeugt, wird ein wichtiger Stakeholder für das eigene Anliegen werden. Den Brückenbauern gehört also die Zukunft. Das gilt wort-wörtlich, aber eben auch mehr und und mehr in der Politik. Die Mehrheit ist schön und gut, aber die relative Mehrheit ist maximal soviel Wert wie der Kompromiss, der ihr zur entscheidenden Mehrheit verhilft.