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Wir kennen von allem den Preis, aber (er)kennen wir auch den jeweiligen Wert?

Der ehemalige Bundespräsident Rau hatte die Erkenntnis bzw. das Zitat von Oscar Wilde seinerzeit öffentlichkeitswirksam aufgegriffen: „Heutzutage kennen die Leute von allem den Preis und von nichts den Wert.“ An diesen Ausspruch musste man unweigerlich denken, als die Debatte um das Thema Abgeordneten-Diäten noch vor Ostern und seit gestern  vehementer in die Schlagzeilen geriet. Es war schon immer und ist wieder eine heikle Diskussion. Platt formuliert könnte man sagen, dass es nie gut sein kann, die Hunde über die Größe der Fleischtöpfe befinden zu lassen. Aber wer, wenn nicht das höchste parlamentarisch-demokratische Gremium soll über die Frage nach der Entschädigung der „Mitarbeiter“ dieser Institution befinden? Dass die Antwort auf diese Frage enormen politischen Sprengstoff birgt, muss dieser Tage der Präsident des Verfassungsorgans Bundestag, Norbert Lammert, einmal mehr erfahren. Lammert ist zwar Profi genug, als dass ihn das nicht sonderlich anficht, aber gut ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl könnte sich die Diskussion als Büchse der Pandora erweisen. Was ist passiert? Um die immerwährende Debatte in dieser Frage – zweifellos auch ein Teil des gesellschaftlichen Neiddenkens – abzukürzen, hat der Ältestenrat des Deutschen Bundestages Ende November 2011 eine Kommission  eingesetzt. Das Ergebnis wurde am 19. März 2013 in Form einer Unterrichtung des Bundestagspräsidenten an das Parlament weiter geleitet (Drs. 17/12500). Nach Bekanntwerden der Unterrichtung hat der Parlamentspräsident ein Interview gegeben, wo er u.a. die Zusammenhänge erläutert. So argumentiert er z.B., dass es gut wäre, wenn noch der amtierende 17. Deutsche Bundestag über diese Frage befände, damit der am 22.9. neugewählte 18. Bundestag nicht sofort mit einer neuen Debatte zu dieser Frage beginnen müsse. So richtig diese Überlegungen sind: 1) Die Diäten an den Bezügen der obersten Bundesrichter zu orientieren und damit Ruhe in die Auseinandersetzung um Höhe und Festlegungsgremium zu bringen; sowie 2) die Entscheidung möglichst noch in dieser Wahlperiode zu treffen, damit die neuen Kollegen „unvorbelastet“ in die nächste Legislatur gehen können; so groß ist natürlich der Aufschrei u.a. des Bundes der Steuerzahler. Immerhin hat der Steuerzahlerbund einen Vorschlag zur Altersregelung mit Blick auf die Abgeordneten-Dienstzeiten gemacht, aber natürlich nur vor dem populären Hintergrund, dass uns unsere Abgeordneten insgesamt zu viel kosten würden.

In einer offenen, freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft muss sicherlich auch über dieses Thema in der gleichen offenen Art und Weise diskutiert werden. Aber über was sprechen wir? Die Diäten, also Entschädigungen der Bundestagsabgeordneten, sind im Vergleich zu Gehältern, die in der Wirtschaft – teilweise auch im kulturellen Umfeld – gezahlt werden, eher gering. Das allein kann also kein ernsthafter Anreiz für fähige Leute sein, in die Politik zu gehen. Desweiteren bringen demokratische Prozesse oftmals langwierige Verfahren mit sich, sodass aus Sicht vieler Menschen die Entscheidungen nicht rasch genug herbeigeführt werden. Allerdings sind es andererseits auch die langen Diskussionen/Debatten, die am Ende das bestmögliche Ergebnis erzeugen. An die Kritiker: Moment noch! Mitunter tragen aber auch – zu Recht – geführte Auseinandersetzungen um mangelnde Transparenz zu einem tendenziell eher negativen Image der Politiker bei. Medienwirksam aufbereitete Skandale machen dann die Melange perfekt. Die Bürger wenden sich angeekelt ab, es kommt zur berüchtigten Politik- und damit zur Parteienverdrossenheit. Nutznießer sind diejenigen, die es schon immer gewusst haben – die Rattenfänger an den extremen Rändern.

Dieses Jahr hat sich zum 80. Mal die Machtergreifung durch die Nazis gejährt. Vor 75 Jahren fand auf deutschem Boden die sog. Reichskristallnacht statt, in der Juden ermordet und Synagogen geschändet/zerstört wurden. Das alles ist gerade einmal ein Menschenleben her. Unsere Demokratie heute ist zum Glück wehrhaft. Sie wurde über Jahrzehnte praktiziert und gelernt. Dennoch sollten wir gerade vor dem Hintergrund dessen, was passieren kann, auch einmal darüber nachdenken, was uns die Demokratie – und damit die handelnden Demokraten – Wert sind. Wenn wir immer nur über ihren Preis reden, drehen wir uns im Kreis. Daher ist der Ansatz des Parlamentspräsidenten genau der Richtige. Es kann sogar noch einen Schritt weiter gegangen werden: Wenn Abgeordnete besser bezahlt würden, könnten Sie auf die eine oder andere Nebentätigkeit verzichten und wären unabhängiger in der Meinungsbildung. Denn viele Entscheidungen sind gar nicht so alternativlos wie sie verkauft werden.

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