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Direkte Volksbeteiligung auf Bundesebene im Lichte des Grundgesetzes

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Auch wenn es in letzter Zeit ruhiger geworden ist, so wurde in den vergangenen Jahren doch regelmäßig von verschiedenen Bundestagsparteien die Einführung direktdemokratischer Elemente auf Bundesebene thematisiert. Die wichtigste Frage, die sich bei dieser Forderung allerdings stellt ist, ob solche Elemente mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

In Art. 29 Abs. 2 Grundgesetz ist eine explizite Variante für einen Volksentscheid auf Bundesebene vorgesehen. Diese betrifft die Neugliederung des Bundesgebiets, also die Zusammenlegung von Bundesländern. Angewandt wurde Art. 29 Abs. 2 bisher erst einmal. Bei der Fusion der Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zum neuen Land Baden-Württemberg im Jahre 1952. Im Jahr 1996 wurde der Versuch unternommen Brandenburg und Berlin zu fusionieren. Dieses Unterfangen scheiterte jedoch, da das notwendige Quorum in Brandenburg nicht erreicht wurde.
Bei diesen Beispielen waren jedoch nur die in den betroffenen Bundesländern lebenden Wahlberechtigten zur Abstimmung aufgefordert. Eine bundesweite Befragung oder Abstimmung fand de facto in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht statt. Die herrschende Meinung bei Juristen ist, dass bereits ohne eine große Reform informelle, unverbindliche Volksbefragungen auf Bundesebene möglich wären. Was sich im ersten Moment unspektakulär anhört, kann in der politischen Realität schwerwiegende Folgen nach sich ziehen, wenn die handelnden Entscheider das Votum ernst nehmen. Das Brexit-Referendum beispielsweise war nicht bindend für das Parlament, wird aber nun Realität. Um das Brexit-Referendum überhaupt durchführen zu können, wurde ein eigenes Gesetz, der EU Referendum Act, vom britischen Parlament verabschiedet.
Im Sinne des deutschen Grundgesetzes kann in der aktuellen Fassung ein plebiszitäres Instrument nie direkt in einem Gesetz münden. Gesetzesinitiativen und das Verabschiedungsrecht sind allein dem Repräsentativorgan vorbehalten. Damit Gesetzesinitiativen aus dem Volk direkt erfolgen können, ist eine Verfassungsreform notwendig, die die legislativen Kompetenzen neu verteilt.
Eine weitere verfassungsrechtliche Hürde für die Schaffung direktdemokratischer Instrumente auf Bundesebene betrifft das Mitbestimmungsrecht der Länder. Hier könnte bei der Umsetzung das Schweizer Modell als Vorbild dienen. Danach müsste neben der Volksmehrheit auch die Mehrheit der Bundesländer zustimmen, damit eine direkte Volksbeteiligung an einem legislativen Vorgang Erfolg hat. Eine Mehrheit muss somit in neun von sechzehn Bundesländern vorliegen.
Den letzten ernstzunehmenden Gesetzesvorstoß zur Einführung weitreichender plebiszitärer Elemente gab es im März 2002 von der rot-grünen Regierungskoalition. Allerdings wird das damalige Vorhaben heutzutage als reines Wahlkampfmittel gewertet, da das Scheitern der Bundestagsabstimmung abzusehen war.
Sollte in naher Zukunft wieder ein Gesetzesvorhaben angestrebt werden direktdemokratische Elemente auf Bundesebene einzuführen, ist ein langfristiger, breiter öffentlicher Diskurs dringend notwendig. Das Für und Wider muss ausgiebig gegeneinander abgewogen werden. Neben Parteien und Ministerien müssen wichtige gesellschaftliche Akteure und Bürgerplattformen mit eingebunden werden. Ohne Frage wären Volksbegehren oder gar Volksinitiativen ein tiefer Einschnitt in das politische und vor allem parlamentarische System der Bundesrepublik. Um jedoch das demokratische System und den demokratischen Gedanken in der Gesellschaft zu stärken, wäre es ein Schritt, über den es sich nachzudenken lohnt. Vor dem Hintergrund des Brexit-Referendums wird diese Diskussion aber vermutlich auf mittlere bis lange Sicht nicht geführt werden.

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