Arm und Reich in Deutschland

Hallo Britta,
schon wieder sehr schön, von Dir zu lesen, wenngleich das Thema betrüblich ist und Du stellst eine sehr schwerwiegende Frage. Reichtum und Armut sind Realitäten in Deutschland. Kein einfaches Thema also.
Sicherlich ist es so, dass nach 1945 Deutschland gleicher war als heute. Die Karten wurden neu gemischt. Damals hatten die 15 Millionen Flüchtlinge nahezu alles verloren und sie waren ein Erfolgsfaktor für das Wirtschaftswunder. Wer nichts mehr hatte, legte sich mächtig ins Zeug. Die damals erwirtschafteten Vermögen konzentrierten sich später dann wieder, vor allem in den 80er Jahren. Es gibt die neu-reichen Familien. Und das Vermögen wird vererbt. In der öffentlichen Diskussion wird immer wieder darauf hingewiesen – in Armutsberichten und Diskussionen über die gerechte Verteilung von Wohlstand – dass ein kleiner Teil der Bevölkerung ein Großteil des Gesamtvermögens besitzt. Das heizt natürlich auch die aktuellen Verteilungskämpfe an, die sich um die entscheidenden Fragen drehen, wie viel die Arbeit in Geld wert ist. Zeitgleich gibt es groteske Erscheinungsformen von Genusssucht der Arrivierten. Überall in der Republik, vornehmlich in den westlichen Teilen der Republik.
Zeitgleich sammeln Rentner Flaschen aus Mülltonnen. Graue, verschämt handelnde Menschen. Das Beschämende ist, die Rente reicht häufig nicht. Hinzu kommen die Angestellten, die abends einen zweiten Job haben, um über die Runden zu kommen. Armut ist sichtbar geworden in unserem Land. In den Straßen und U-Bahn wird man im Minutentakt angebettelt. Zu den Gescheiterten, die unter Brücken schlafen, kommen die Armutsflüchtlinge und prägen immer mehr das Bild unserer Großstädte. Leider gibt es in diesem Bereich auch viele Akteure, die den guten Willen und die nach wie vor hohe Bereitschaft zum Abgeben missbrauchen. In unserer alternden Gesellschaft haben viele Menschen Befürchtungen, dass im Alter die Rente nicht reichen wird. Gewaltige milliardenschwere Belastungen kommen auf die Sozialgemeinschaft zu.
Einen leichten Ausweg aus diesem Dilemma kann keiner aus dem Ärmel schütteln. Für politische Scharlatane ein weites Betätigungsfeld. Leider. Wahrscheinlich ist eine möglichst hohe Beschäftigtenquote der einzige Ausweg, gekoppelt mit dem Anpassen der sozialen Marktwirtschaft. Ein Neuinterpretieren des Deutschland-Prinzips. Wir müssen uns wohl auf längere Lebensarbeitszeit einstellen und erheblich mehr für die eigene Altersvorsorge tun. Ein neues Wirtschaftswunder ist angesagt. Bessere Antworten habe ich auch nicht parat.
Bis bald und beste Grüße, Dein Justus
Hier schreiben Menschen für unseren Blog, die nur sehr unregelmäßig dazu kommen, aber dennoch Spass am Bloggen haben.
1 Comment
Add comment Antworten abbrechen
Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .
„Ich finde die Zivilisation ist eine gute Idee. Nur sollte endlich mal jemand anfangen sie auszuprobieren.“
Arthur C. Clarke (1917-2008)
„Wir wären weit, weit über den Kapitalismus hinaus (Kapitalismus = wirtschaftlicher Zustand, in dem die Nachfrage nach Geld und Realkapitalien das Angebot übertrifft und darum den Zins bedingt), wenn seit 3000 Jahren durch die Wirtschaftskrisen die Kultur nicht immer wieder die mühsam erklommenen Stufen heruntergestoßen worden wäre; wenn die bettelhafte Armut, in der jede Krise die Volksmassen hinterlässt, nicht die Bettlergesinnung großgezogen hätte, die nun einmal den Menschen, groß und klein, in den Knochen liegt. … Die Plage des Hungers und der Druck der Schulden sind böse Erzieher. …Und wo wären wir heute in wissenschaftlicher, technischer Beziehung angelangt, wenn die vielversprechende Kultur, die das Gold, obschon blutbefleckt, geraubt und erpresst, in Rom erstehen ließ, nicht unter einer anderthalbtausendjährigen, durch Geldmangel erzeugten ökonomischen Eiszeit erstarrt, vergletschert, vernichtet worden wäre? Sicherlich säßen wir jetzt auf dem Throne Gottes und ließen das All im Kreis an unserem Finger laufen.“
Silvio Gesell (Die neue Lehre vom Geld und Zins, 1911)
„Der Mensch sinkt, wenn er einmal sinkt, immer unter das Tier.“
Friedrich Nietzsche (Wie man wird, was man ist)
Wie tief musste der unbewusste Mensch sinken, um die Zivilisation bis heute nicht zu begreifen und bis zum evident werden der globalen Liquiditätsfalle auch gar nicht erst begreifen zu wollen? So tief, dass sein Betriebssystem nur noch gelöscht werden kann;…